Von Bethlehem nach Ugarit

Vortrag von Prof. Dr. Herbert Niehr

Theologische Hochschule Chur, 18. April 2023

Folgen wir der Darstellung des Lebens und Wirkens des Kirchenvaters Hieronymus (347-419) durch A. Fürst, so finden wir unter dem Abschnitt über die Fremdsprachenkenntnisse des Bibelübersetzers neben Latein und Griechisch auch die Sprachen Syrisch, Aramäisch (Chaldäisch) und Hebräisch. Dazu kommen gelegentliche Hinweise auf das Arabische und das Punische.

Solch beeindruckender Sprachkenntnisse bedurfte und bedarf es immer noch, um das Alte Testament verstehen und übersetzen zu können. Aber auch hier gilt das berühmte Wort: dies diem docet! Den letzten beiden Jahrhunderten war es vorbehalten, etliche weitere Schriften und Sprachen des Alten Orients zu entziffern und zu verstehen. Hier seien nur die ägyptischen Hieroglyphen und die mesopotamische Keilschrift und die darin verschriftlichten Sprachen Ägyptisch, Sumerisch, Akkadisch und Hethitisch genannt.

Eine weitere bislang unbekannte Schrift wurde 1929 auf Tontafeln in der nordwest-syrischen Hafenstadt Ugarit entdeckt und sie kann bereits seit 1930 als entziffert gelten. Die ca. 2000 Tontafeln in ugaritischer Schrift und Sprache enthalten die ältesten westsemitischen Texte, d.h. Texte, die in enger Verwandtschaft zum Hebräischen des Alten Testaments, aber auch zu den phönizischen und aramäischen Inschriften und Papyri des 1. Jahrtausends v. Chr. stehen. Auch inhaltlich gibt es enge Bezüge zum Alten Testament: Man denke nur an den Mythenzyklus des Gottes Baal, dem großen Widersacher des Gottes Jahweh.

Der Vortrag hat in die Entdeckung Ugarits (Schrift, Sprache, schriftlichen Traditionen) eingeführt und vor allem die Relevanz der Texte aus Ugarit für das Studium des Alten Testaments beleuchtet.

Hieronymus konnte das Ugaritische nicht kennen, da zu seinen Lebzeiten die Stadt Ugarit bereits seit ca. 1500 Jahren in Schutt und Asche lag. Aber durch seine Übersetzungsleistung hat Hieronymus dazu beigetragen, im Alten Testament konservierte Traditionen aus Ugarit in das lateinische Christentum zu vermitteln.

Johann Sebastian Bach und die lateinische Sprache

Der Vulgata Verein hat anlässlich der Jahresversammlung eingeladen und Prof. Dr. Michael Maul (Leiter des Forschungsreferat I der Bachstiftung Leipzig) und Dr. Bernhard Schrammek (Musikwissenschaftler, Autor und Moderator) sind am 26. April 2022 nach Chur gereist. Gemeinsam gestaltet haben sie einem informativen und unterhaltsamen Abend zum Thema «Johann Sebastian Bach – guter Musikus, guter Lateiner, guter Theologe?» Sie zeigten Bach als fleissigen Komponisten, der es verstanden hat, die Sonntagsevangelien im Kirchenjahr in über 200 erhaltenen Kantaten musikalisch lebendig und erfahrbar zu machen. Damit erweist er sich bis heute als wichtiger Vermittler der biblischen Botschaft.

Die beiden Referenten erzählten locker und charmant über den Ausnahmemusiker und -komponisten. Auch seine spezielle Beziehung zur Sprache wie auch sein musikalisches Ausnahmetalent und das reiche musikalische Erbe, das er hinterlassen hat, kamen zur Sprache. Mit ihrer eigenen Gesprächsdynamik, der lebendigen Sprache und grossen Leidenschaft für Johann Sebastian Bach haben die beiden Referenten diesen Abend zum grossen Vergnügen der Zuhörenden gestaltet. Beim anschliessenden Apero mischten sie sich gerne unter ihr Publikum und so blieb Bach weiter zentrales Thema bis in die Nacht hinein.